„Protest“

Václav Havel (aus der Vanek – Trilogie)

„Vanek wird von seinem Schriftstellerkollegen Stanek zu Hilfe gerufen, als dessen zukünftiger Schwiegersohn, ein oppositioneller Liedermacher, verhaftet wird. Vanek, ohnehin "Profi der Solidarität", soll eine Protestresolution verfassen, Unterschriften sammeln und damit im Ausland Aufsehen erregen. So hofft Stanek, seiner schwangeren Tochter den Mann zurückzugeben, ohne die eigene bürgerliche Existenz zu gefährden.“ (Rowohlt Verlag)

„Protest“ legt offen, wie Schriftstellerkollege Stanek es schafft, sich dem Druck, die selbst erbetene Resolution auch mit unterschreiben zu müssen, zu entziehen und zeitgleich keine Zweifel über die Richtigkeit dessen aufkommen zu lassen. Ein Dilemma. Als Mittel verwendet Stanek hierfür die Sprache, nach dem Motto: ‚ich rede alles dort hin, wohin ich es brauche’. Mit seinen argumentativen Ausführungen will er vor allem überdecken, dass er ein vorrangig persönliches Interesse hat, die Resolution nicht zu unterschreiben, nämlich seine eigene bürgerliche Existenz nicht zu gefährden.
Vanek wiederum ist ein leiser unaufdringlicher Held, der seine Mitmenschen auch in ihrer Verbiegung akzeptiert und im Grunde für sich das Selbe vergeblich erhofft. Indem Havel durch Beschreibung und nicht durch Anklage die Mechanismen offen legt, zeigt sich die Deformation, die Selbstzensur und vorauseilender Gehorsam bei Menschen anrichtet. Dem "Sehenden" bleibt in einer solchen Situation oft nur Isolation, Flucht oder Wahnsinn.

Das Stück von Havel deckt Kommunikationsmechanismen auf, die gerade heute in Politik und Gesellschaft sehr ausgefeilt zu Tage treten, aktuell u.a. bei „Stuttgart 21“. Die Figur Stanek schafft es, nur durch Worte eine Situation umzudeuten und daraus als Gewinner hervor zu gehen. Es geht um das Verbiegen von Realität durch Worte, eine Umdeutung der Situation zum eigenen Vorteil. Fakten werden vorenthalten, Vermutungen zur Gewissheit erklärt und Subjektivität umgedeutet in Objektivität.

Übersetzt wurde „Protest“, wie die anderen beiden Teile der Vanek-Trilogie auch, vom mehrfach preisgekrönten Satiriker Gabriel Laub.

Aufführungsrechte beim Rowohlt Verlag Reinbeck

Besetzung

Jan Stanek
Ferdinand Vanek   

Michael Günther
Christoph Stein

Regie
Ausstattung
Licht
Sound
Dramaturgie
PR
Grafik
Fotos
Ideeller Support
Abendspielleitung

Regina Busch
Britta Yook
Jan Hartmann
Frank Marheineke
Lynnette Polcyn
Christiane Köppe
Maria Deinert
Frank Marheineke
Chris Goy
Cecilia Ward

Václav Havel  (1936 - 2011)

war tschechischer Schriftsteller und Politiker und entstammte einer einflussreichen Prager Großbürgerfamilie. Mit Beginn der kommunistischen Regierung wurde die Familie im Februar 1948  enteignet. Havel durfte nach Beendigung der Schulpflicht 1951 keine weiterführende Schule besuchen. Er arbeitete als Assistent in einem Chemielabor und schloss seine sekundäre Ausbildung in einer Abendschule ab. Nebenbei arbeitete er als Taxifahrer, um sich die Abendschule zu finanzieren. Nachdem er aus politischen Gründen an keiner geisteswissenschaftlichen Fakultät zugelassen war, studierte er vorübergehend für zwei Jahre Wirtschaft. Nach weiteren zwei Jahren Militärdienst wurde er Bühnentechniker in zwei kleinen Prager Theatern, wo im „Theater am Geländer“ auch seine ersten Stücke wie „Das Gartenfest“ aufgeführt wurde. Seit seinem 20. Lebensjahr schrieb Havel Artikel für Literatur- und Theaterzeitschriften. Seine Bühnenstücke und Artikel stehen in der Tradition des absurden Theaters und prägten die Atmosphäre, die 1968 zum Prager Frühling führte, entscheidend mit. Einige berühmte Theaterstücke Havels aus dieser Zeit sind etwa „Das Memorandum“ (1965) oder „Erschwerte Möglichkeit der Konzentration“ (1968), das aus der Abschlussarbeit seines Fernstudiums an der Theaterfakultät in den Jahren 1962 bis 1966 hervorgegangen war. 1967 erregte Havel auf dem IV. Schriftstellerkongress in Prag erstmals politisch Aufsehen, indem er die Zensur und die Absurdität des Machtapparates der kommunistischen Partei öffentlich kritisierte. Havel war während der Herrschaft der kommunistischen Partei ein führender Regimekritiker der Tschechoslowakei. Und im Jahre 1977 einer von drei Initiatoren der Charta 77, in dieser Zeit wurde Havel dreimal verhaftet und verbrachte insgesamt etwa fünf Jahre im Gefängnis. Nach 1968 hatte Havel in der Tschechoslowakei Aufführungs- und Publikationsverbot, doch seine Werke wurden in dieser Zeit fast vollständig im Rowohlt-Verlag in Deutschland publiziert. 1989 wurde er wegen „Rowdytum“ verhaftet, weil er auf eine Gedenkfeier von Jan Palach zum 20. Jahrestag seiner Verbennung gehen wollte und musste für neun Monate unter verschärften Bedingungen als Wiederholungstäter in Haft. Deshalb konnte er im selben Jahr nicht seinen in Frankfurt an ihn verliehenen Friedenspreis des deutschen Buchhandelns entgegen nehmen, Maximilian Schell verlas seine geschriebene Dankesrede. Für die deutsch-tschechische Aussöhnung galt er als Wegbereiter und war eine zentrale Figur in der von Studenten und Künstlern getragenen sogenannten Samtenen Revolution. Er gilt als führender Vertreter der Revolution von 1989, führte das Land am 5. Juli 1990 zu freien Wahlen und wurde 1989 zum Staatspräsident der Tschechoslowakei gewählt, in der Funktion er auch bis zum Jahre 1992 blieb. 1993 bis 2003 war er Präsident der Tschechischen Republik. Er war Mitglied in der Schriftstellergemeinde Obec spisovatelu und Ehrenmitglied im Club of Rome.

Havel erhielt für sein literarisches und politisches Schaffen zahlreiche Preise und Ehrungen. Er wurde mehrere Male, zuletzt 2004, für den „Friedensnobelpreis“ vorgeschlagen. Dieser wurde ihm jedoch nicht zugesprochen.

Daedalus Company arbeitet mit Attac zusammen und unterstützt deren Aufruf "UmFairTeilen"!

Das Projekt wurde gefördert von:

Fotos aus der Aufführung

Fotos: Frank Marheineke

In der Presse

(aus rechtlichen Gründen immer nur ausschnittweise)

Frankfurter Neue Presse, 18. Januar 2013

„Zwischen Zensur und Selbstzensur"

Hier nimmt Buschs Inszenierung Fahrt auf, wenn Günthers Stanek in absurder und tragikomischer Dialektik argumentiert und dabei tief in den Wirkungsmechanismus von Zensur und Selbstzensur blicken lässt. Stück und Inszenierung sind angenehm frei von Moralinsäure.

Astrid Biesemeier, FNP

www.fnp.de/fnp/nachrichten/kultur/zwischen-zensur-und-selbstzensur_rmn01.c.10426027.de.html

Strandgut Januar 2013

Politischer Lackmustest

Daedalus Company im Gallus Theater: Protest.

"Erst erstaunt das Stück. Und dann die Tatsache, daß eine so intelligente wie fesselnde Arbeit wie »Protest« von Vaclav Havel auf deutschen Bühnen nicht schon längst etabliert ist. Knapp 35 Jahre ist es her, daß der vor zwei Jahren gestorbene Schriftsteller und spätere Präsident der Tschechoslowakei (1989 -91) wie Tschechiens (1993-2003) mit dieser Arbeit die aus Einaktern bestehende Vanèk-Trilogie abschloß. Er reflektiert darin seine Erfahrungen als oppositoneller Intellektueller nach dem Ende des Prager Frühlings. Fünf Jahre insgesamt saß er in dieser Zeit im Gefängnis. (...) Das tragikomische Dialogspiel ist in der famosen Inszenierung der Daedalus Company auch eines der Körpersprache. Was Stanek trotz brillanter Rhetorik einfach nicht gelingen will, nämlich Vanék zu greifen, versucht er in einer Art Übersprunghandlung mit seinen immer drängender auf Berührung gehenden Händen. Das eindringliche Spiel Michael Günthers konturiert den zunächst so souveränen als einen ersichtlich verunsicherten Mann, den es kaum auf dem Sitz hält. Stoisch, auf nichts als seine Integrität bedacht, treibt Christoph Stein sein Visavis zur selbstverleugnenden Entblößung, ohne auch nur einen längeren Satz zu sagen. Nach der Vorstellung kann man sich mit Attac für die Vermögensumverteilung einsetzen – per Unterschrift."

Winnie Geipert

FAZ 5. Februar 2013

Zahlen oder büßen

(aus rechtlichen Gründen ausschnittweise)

"Schon der Habitus der beiden Protagonisten in Václav Havels Einakter "Protest", den Regina Busch mit der Daedalus Company am Frankfurter Gallus Theater inszeniert hat, macht klar, dass der eine nichts und der andere sehr viel zu verlieren hat mit dieser zweifellos ehrenwerten Aktion. Schnell eskaliert das Wiedersehen der beiden Schriftstellerkollegen von unverbindlicher Freundlichkeit über wortreiche Verlegenheit zum verbalen Nahkampf."

Jürgen Richter