Die aktuelle Produktion der Daedalus Company ist eine Performance zum Thema „Altern von Frauen* in unserer Gesellschaft“. Wichtiger weiterer Aspekt ist die Diversität im Alter. Dabei interessieren uns Liebe, Sexualität und die Wünsche und Träume von alten Frauen* in unterschiedlichen sozialen Kontexten und mit verschiedenen Lebenshintergründen. Wir untersuchen in diesem Zusammenhang die An- bzw. Abwesenheit alter Frauen* in virtuellen Räumen und an öffentlichen Orten und Plätzen unserer Stadt. Gerade hier, im teuren und geschäftigen Frankfurt, ist ihre Unsichtbarkeit besonders sichtbar.
Die letzte Lebensphase im Alter ist noch immer ein Thema, das gesellschaftlich nicht hinreichend Raum bekommt. Die vorherrschenden Bilder alter Frauen* werden deren großen Ressourcen, Talenten und Visionen nicht gerecht. Wir wollen im Projekt untersuchen, wie diese Potenziale verwirklicht werden können, um Frauen* dieser Altersgruppe zu empowern. Die Performerinnen gehen mit einem Kamerateam in den öffentlichen Raum und interviewen diverse Alltagsexpert*innen. Aus dem Material entwickelt das Ensemble die Performance.
Wie wichtig die eigene Einstellung zum Älterwerden und Alter für Lebensperspektiven sind, zeigt eine Studie der US-amerikanischen Wissenschaftlerin Becca Levy von der Yale University. Personen mit positiver Wahrnehmung des Alters lebten nach den Ergebnissen einer Langzeitstudie im Schnitt 7,5 Jahre länger als Personen mit negativer Wahrnehmung. Wer im Alter Pläne schmiedet und positiv in den Alltag geht, lebt länger.
Regina Busch (Regie), Karin Flaake (Dramaturgie, Performance), Jan Hartmann (Licht, Technik), Brigitte Korn (Performance), Antje Kroll (Presse-/Öffentlichkeitsarbeit), Petra Lehr (Tanz, Choreographie), Angelika Löfflat (Performance), Georg Max (Licht, Technik), Devin McDonough (Bühne, Kostüme), Jannik Riebisch (Video)
Ganz herzlichen Dank: Rathaus für Senioren Frankfurt Main, Mathias Hundt
Kulturamt Frankfurt am Main; Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur; Frauenreferat Frankfurt am Main; Naspa Stiftung "Initiative und Leistung"; Gallus Theater Frankfurt am Main.
Fotos von Devin McDonough
(aus rechtlichen Gründen immer nur ausschnittweise)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.10.2024,
Sie schlurfen in dicken Bademänteln herein und fallen apathisch in die Sessel, bis hektische Musik einsetzt und zumindest zwei der Scheintoten zum Leben erweckt. Regina Busch entfaltet in „DIE 4 GRAZIEN“ mit der Daedalus Company einen bewegten und bewegenden Wechsel zwischen Resignation und Inspiration, eine Mischung verschiedener Stilmittel von der Choreographie aus mobilen Körperskulpturen über Tanzeinlagen mit Yogaposen bis zu Testimonials via Hintergrundprojektion. Weinerlichkeit wird ebenso vermieden wie Textlastigkeit, dabei muss einiges gesagt werden in einem Stück, das sich dem Altern widmet.
Autor: Jürgen Richter
FRIZZ BÜHNE, Februar 2025
das sind Karin Flaake (Dramaturgie, Performance), Petra Lehr (Tanz, Choreographie), Brigitte Korn (Performance) und Angelika Löfflat (Performance). Unter der Regie von Regina Busch bringen sie ein Stück über Frauen im Alter auf die Bühne. Gleich zu Beginn taucht eine der Grazien im Dinosaurier-Kostüm auf, ihre Botschaft: „Wir sind noch nicht ausgestorben…“ Ja, die Frauen haben noch viel vor, wollen ihre Träume umsetzen und Haben Lust auf Sex. In einem der Texte, die vorgelesen werden, bewundert eine 86-Jährige den Körper einer jungen Frau, das Gesicht der alten Frau glühte „vor Verlangen“, heißt es und dann küssen die beiden sich. Von derartigen Begegnungen ist selten die Rede. Ein anderer Text thematisiert die Angst einer alten Frau, von ihren Angehörigen in ein Heim gebracht zu werden. Die Inszenierung der Daedalus Company packt gleich mehrere „heiße Eisen“ an, ohne dabei vor allem „ernst“ zu sein. Vielmehr geht es humorvoll und abwechslungsreich zu – mit Auszügen aus Romanen und anderen Texten, filmischen Interviews mit Frauen, die aus ihrem Alltag berichten, ausdrucksstarken tänzerischen Elementen und einem variablen Bühnenbild. Es geht um spannende Perspektiven für ein lebenswertes Leben im Alter und das ist für Menschen jeden Alters sehenswert.
Autorin: Antje Kroll
Strandgut, Ausgabe Februar 2025
Tanzt da etwa eine Echse? Oder ein Dinosaurier in einer bunten Spirale? Oder doch ein Wesen aus einer anderen Welt als die Wohnzimmeransicht, die sich jetzt auftut? Sind es etwa Frauen, die da scheintot herumliegen – gar nicht bunt angezogen, sondern in Schwarz, langärmelig und in vor allem bequemen Hosen. Sie plumpsen in bereitstehende Polstermöbel – Sofa, Sesselkombination (mit Lehne natürlich), beigebraun, die Farbe des Alters, Stil 50er Jahre, Hauptsache auch hier: bequem …
Aber dann: Nicht umsonst ist der Titel im imperativ. „Werdet alt – aber nicht langweilig“!“ Ein Befehl? Eine Empfehlung? Zitiert wird damit die hier als Modeikone bezeichnete Iris Apfel, also eine Art Heiligenbild. Das war, soviel weiß das Internet, eine erfolgreiche New Yorker Geschäftsfrau, die im vergangenen Jahr im Alter von 103 Jahren gestorben ist und sich bis dahin als „greises Modesternchen“ beschrieb. Mit 97 Jahren schloss sie einen Vertrag als Model ab.
Ihr Motto nehmen sich die vier Grazien der Daedalus Company und die zehn Frauen der Tanzgruppe Ü60 zu Herzen. Und machen sich sichtbar: fragen nach, weshalb „die Alten“ (Frauen insbesondere) nicht vorkommen in Werbung, in diversen Präsentationen und zum Beispiel – oder nur selten – in TV-Diskussionen oder als Nachrichtensprecherinnen. Dabei können sie doch so beweglich und so bunt wie die Spirale am Anfang der Inszenierung.
Wie aus dem Nebel kommen sie, die Grazien, nicht eben graziös, aber zunächst, in tristen Bademänteln. Doch sie verwandeln sich beim Erzählen ihrer Erfahrungen mit dem Altwerden, dem Schönsein-Müssen, mit den Falten, die das Leben schreibt, auch in ihrer wahrscheinlich letzten Lebensphase.
Sie untersuchen die öffentliche Meinung mit der Kamera, bestehen dabei auf dem wichtigen Punkt der finanziellen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit von und für Frauen. Sie teilen ihre Erfahrungen mit Sexualität, Liebe, Wünschen und Träumen, die keineswegs über einen Kamm geschoren werden können. Und so wird im Laufe der Zeit – im Laufe des Stückes auch – ihre Kleidung immer bunter, fantasievoller und verrückter, werden ihre Gesten und Bewegungen immer aufmüpfiger, und selbst das langweilige Polstermöbel verwandelt sich in ein wunderbar lilanes (doch wieder eine Frauenfarbe?), durchsichtiges Plastikmöbel. Unter der Regie von Regina Busch hat ein Team von sechs Frauen und drei Männern eine wunderbare Performance – so heißt das wohl heutzutage – hervorgebracht, amüsant, unterhaltsam und lehrreich zugleich. Das will doch was heißen!
Autorin: Katrin Swoboda